Einheitliche Berechnungsmethode beim familienrechtlichen Unterhalt (Urteile 5A_907/2018, 5A_311/2019, 5A_891/2018, 5A_104/2018 und 5A_800/2019)

Das Bundesgericht hatte jüngst die Gelegenheit, sich zur Berechnung des Kindes- und Ehegattenunterhalt zu äussern und teilweise die bisherige Praxis geändert. Zur Berechnung sämtlicher Arten von Unterhalt für Kinder oder Ehegatten ist künftig nur noch die zweistufige Berechnungsmethode anzuwenden. Ferner nimmt das Bundesgericht eine Praxisänderung bei der Frage vor, wann sich die Ehegatten nach einer Trennung oder Scheidung wieder in die Arbeitswelt eingliedern können und in welchen Fällen von einer lebensprägenden Ehe auszugehen ist.

 

Berechnungsmethode

Bislang hat das Bundesgericht im gesamten Unterhaltsbereich (Kindesunterhalt, ehelicher Unterhalt, nachehelicher Unterhalt) unterschiedliche Berechnungsmethoden zugelassen. Dies führte schweizweit zu einer heterogenen Praxis und ging auf Kosten der Rechtssicherheit.

In Zukunft ist die Höhe aller Unterhaltsleistungen anhand der sogenannten zweistufigen Berechnungsmethode mit Überschussverteilung zu berechnen. Dabei wird zunächst das gesamte Einkommen der Ehegatten (allenfalls auch der Kinder) ermittelt; anschliessend wird der Bedarf von allen Betroffenen eruiert. Soweit die vorhandenen Mittel die (familienrechtlichen) Existenzminima übersteigen, ist der Überschuss im konkreten Fall ermessensweise zu verteilen. Der Unterhaltsanspruch eines Ehegatten findet seine Begrenzung in dem zuletzt gemeinsam gelebten Standard. Diese Limitierung gilt jedoch nur zwischen den Ehegatten, während die Kinder am insgesamt höheren Lebensstandard teilhaben sollen.

Bei ungenügenden Mitteln ist an erster Stelle der Barunterhalt für minderjährige Kinder, danach der Betreuungsunterhalt, anschliessend ein allfälliger ehelicher oder nachehelicher Unterhaltsanspruch eines Ehegatten und schliesslich der Unterhalt für volljährige Kinder zu decken.

 

Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit

In weiteren Urteilen hat das Bundesgericht die sogenannte „45er-Regel“ aufgegeben. Diese besagte, dass einem Ehegatten die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht mehr zuzumuten ist, wenn er während der Ehe nicht berufstätig war und im Zeitpunkt der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts beziehungsweise bei der Scheidung bereits 45 Jahre alt war. Gemäss der neuen bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist stets von der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit auszugehen, wenn eine solche Möglichkeit tatsächlich besteht und keine Hinderungsgründe vorliegen wie bspw. die Betreuung kleiner Kinder.

 

Lebensprägende Ehe

Zudem hat das Bundesgericht den Begriff der lebensprägenden Ehe weiterentwickelt, welche im Scheidungsfall einen Anspruch auf Beibehaltung des bisherigen ehelichen Lebensstandards gibt. Eine Ehe galt bisher insbesondere als lebensprägend bei einer Ehedauer von zehn Jahren oder – unabhängig davon – bei einem gemeinsamen Kind, was grundsätzlich zu einer dauerhaften Unterhaltszahlung führte. Diese relativ starre Lösung wurde jüngst vom Bundesgericht verworfen. Gemäss der neuen Rechtsprechung ist eine individuelle Prüfung des Einzelfalles erforderlich, ob die konkrete Ehe das Leben der Ehegatten entscheidend geprägt hat. Nach der neuen Definition ist eine Ehe dann lebensprägend, wenn ein Ehegatte seine ökonomische Selbständigkeit zugunsten der Haushaltsbesorgung und Kinderbetreuung aufgegeben hat und es ihm darum nach langjähriger Ehe nicht mehr möglich ist, an seiner früheren beruflichen Stellung anzuknüpfen, während der andere Ehegatte sich aufgrund der ehelichen Aufgabenteilung auf sein berufliches Fortkommen konzentrieren konnte. Im Fall der Bejahung ist zwar eine Scheidungsrente zu gewähren; diese ist jedoch vor dem Hintergrund der konkreten Umstände zeitlich angemessen zu befristen.

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lic. iur. Ursula Engelberger-Koller

Rechtsanwältin und Notarin (NW und LU)
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  • 2012 Gründung Kummer Engelberger
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  • 2002 Rechtsanwältin bei Kummer Bolzern & Partner
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  • 2008 Fachanwältin SAV Familienrecht
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